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Teil 1: Der Amtskrug
Aus den Anfängen:
Es gibt keine verlässliche Zeitangabe zur Entstehung des Gebäudes. Auf dem Merian - Stich von 1654 ist der Amtskrug noch nicht vorhanden. In den Unterlagen des Amtes Lichtenberg wird der Amtskrug stets als zweiter Krug bezeichnet.
Durch Münzfunde im Garten des Amtskruges lässt sich die Datierung des Gebäudes in die Zeit zwischen 1654 und 1667 festlegen.
Das Gebäude gehörte, bis zu seinem Verkauf 1779 an die Familie Wasmus, zum Amtsbesitz des Amtes Lichtenberg.
Von 1744 bis 1779 in Erbzins, danach bis 1893 als Eigentümer, wurde es in wechselnden Generationen von der Familie Wasmus bewirtschaftet. Mitglieder dieser Familie versahen bis zur Auflösung des Amtes Lichtenberg und Verlegung der Gerichtsbarkeit nach Salder auch das Amt des Hogrefen. Diese Bezeichnung erklärt sich lt. Wikipedia aus dem Niederdeutschen, als Amtsbezeichnung für einen ordentlichen Richter an einem Gogericht, dem eines Gogrefen, später Hogrefe.
Als 1891 die Witwe Wasmus verstarb, wurde der Besitz auf die unverehelichte Schwester Luise Wasmus umgeschrieben. 1893 wurde der Besitz von der Luise Wasmus an den Oberamtmann Wilhelm-Adalbert-Langenstraßen, Pächter der Herzoglichen Domäne Lichtenberg, verkauft. 1910 verkauften die Erben der Familie Langenstraßen das Anwesen an den Lichtenberger Steinbruchpächter Heinrich Bode für 17000 Mark. Die „Krug Gerechtsame“, das Schankrecht, musste für 3000 Mark gesondert erworben werden.
Ansicht einer Postkarte v. 1908, verschickt nach Bad Harzburg.
Die Zufahrt entspricht der heutigen Trassenführung, auf der rechten Seite, hinter der Baumreihe, die Scheune.
Bis 1979 blieb der Amtskrug im Besitz der Familie Bode. Von 1939 bis 1961 war er an Alfred Helmich verpachtet. In der Folgezeit gab es wechselnde Pächter: Fam. Giese, Hedwig Zorawsky u. Walter Bischoff, um einige zu nennen. Von 1971 bis 1979 wurde das Lokal noch einmal von der Familie Bode bewirtschaftet (Fiete Bode).
Neben dem Kaffeegarten in Richtung Norden gehörte zum Anwesen des Amtskruges auch ein großer Nutzgarten für den Anbau von Kartoffeln und Gemüse. In den 1970er Jahren wurde dieser Teil des Grundstückes abgetrennt und in Baugrundstücke umgewandelt. Dort wurde das Gebäude der heutigen Landessparkasse/Nord – LB und zwei weitere Mehrfamilienhäuser mit Zufahrt und Einstellplätzen errichtet.
Ebenso wurde die Scheune abgerissen und mit einem danebenliegenden Gartenstück in einen Bauplatz umgewandelt.
1979 wurde der Amtskrug an die Familie Kopetzky verkauft, welche die obere Etage als Wohnraum nutzte. Die Gastronomie der unteren Etage wurde in der Folgezeit von wechselnden Pächtern bewirtschaftet.
Ab 1982 wird das Lokal von Reiner und Cornelia Dettbarn bewirtschaftet.
Nach deren Aufgabe des Amtskruges gab es diverse Pächter, u a. Inge Doukas, Ernst Löper, Egon Specht – bis zum Verkauf am 01.09.2008 von Fam. Kopetzky an den Besitzer Eddi Yüksel. Herr Yüksel verkaufte 2018/2019 (?) die Gaststätte an den Zahnarzt Samir Naja.
Der neue Besitzer renovierte die Räumlichkeiten und nahm einige Um- und Erweiterungsbauten vor. Ein weiterer Clubraum wurde als Flachbau vor die westliche Giebelseite gesetzt. Die Toiletten wurden erneuert und der Thekenbereich umgestaltet. Weitere Fremdenzimmer wurden geschaffen. Die vorhandene Einliegerwohnung wurde in Fremdenzimmer umgewandelt.
Seit dem 01.03.2009 wird der Amtskrug von der Familie Claudia und Ralf Rohmann bewirtschaftet. Leider plant die Familie Rohmann die Bewirtschaftung des Amtskruges zum März 2022 aufzugeben.
Noch bis Anfang der 1960er Jahre war Lichtenberg an den Wochenenden und Feiertagen ein beliebtes Ausflugsziel. Im Sommer waren die Kaffeegärten aller Lichtenberger Lokale gut besucht, so auch der des Amtskruges.
Kaffeegarten mit voller Bestuhlung - an Sommerwochenenden in den 1950er Jahren immer gut besucht
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Über den Amtskrug und seine Räumlichkeiten sind aus seiner Historie weitere erwähnenswerte Ereignisse und Gegebenheiten bekannt.
In den letzten Kriegsjahren 1944/1945 dienten Räume des Amtskruges vorübergehend als Kindergarten für den Ort Lichtenberg. Kindergärtnerinnen waren Frau Wedde und Frau Marianne Brinkmann.
Vor der Fertigstellung des Sportheimes des MTV Lichtenberg (1969) diente der Amtskrug mit provisorisch eingerichteten Waschmöglichkeiten vorübergehend als Umkleidemöglichkeit und Vereinslokal. Das bisherige Vereinslokal, der Gasthof zur Linde, stand zur Nutzung nicht mehr zur Verfügung.
Die Scheune diente bis zu ihrem Abriss in den 1970er Jahren, in den Anfängen als Ausspann. D.h., in Zeiten, als Personen und Güter noch mit Pferdegespannen transportiert wurden, musste lt. Pachtvertrag eine Unterstellmöglichkeit mit Versorgung für die Pferde und Geräte vorgehalten werden. Auch bedingt durch das Lichtenberg zugestandene Marktrecht, den Besuchern und Händlern dieser Markttage.
In den Jahren 1963 bis 1965 hatte sich der 1957 gegründete Schützenbund Horrido in der Scheune seinen Schießstand eingerichtet.
In den Anfängen des Fernsehens - viele Familien hatten zur Zeit der Fußballweltmeisterschaft 1954 und auch noch einige Jahre danach kein eigenes Fernsehgerät - war beim Wirt Alfred Helmich im Amtskrug gemeinsames Fernsehen angesagt. Am Sonntagnachmittag trafen sich die Kinder und abends die Erwachsenen im Saal in der oberen Etage oder im Clubzimmer zum Fernsehen.
Eintritt wurde nicht erhoben, aber ein Verzehr wurde erwartet.
Der Verzehr für Kinder konnte aus einer kleinen Verkaufsvitrine auf dem Flur erworben werden:
5 Stck. Sahnebonbon „Stork Riesen“ – zu 10 Pfennig;
1 Stck. Nappo – zu 0,5 Pfennig,
Dr. Hillers Hustendrops,
Lakritz-Schnecken oder Prickel-Pit
waren bei den kleinen Gästen die begehrtesten Artikel.
Noch eine weitere besondere Leistung wurde während der Bewirtschaftung durch Alfred Hellmich im Amtskrug angeboten: In den Sommermonaten wurde an den Wochenenden mit einer Eismaschine Milchspeiseeis produziert und in Waffeln, die Kugel zu 10 Pfennig, verkauft.
Ansicht des Amtskruges im Winter
Standpunkt vom Buswendeplatz, Haltestelle und Endstation der KVG
im Vordergrund – Torbogen mit Leuchtreklame und Schriftzug: „Inh. A. Hellmich“;
Durchgang in den Kaffeegarten; hinten rechts die Scheune.
Anzeige in der Festschrift zur Hundertjahrfeier 100 Jahre Lichtenberg, im August 1957
Postkarte aus dem Jahr 1970 aufgelegt von der Inhaberin Waltraud Gazow:
4 Ansichten | Frontansicht des Westgiebels mit Kaffeegarten, umgestaltet als Biergarten |
Gaststube mit Theke | |
Clubraum | |
Biergarten |
Seit 1988 ist der Amtskrug Lichtenberg auch Vereinslokal des Heimatkreis Lichtenberg.
Hier finden die Zusammenkünfte, Treffen zu Versammlungen, Vorträgen und Vereinsfeiern beim Vereinswirt Ralf Rohmann statt.
Lichtenberger Wappen an der Heimatstube gestiftet und angebracht von Ralf Rohmann
Der Amtskrug im Jahr 2021 mit angebautem Clubraum, der Heimatstube.
Blick aus dem Biergarten auf den Westgiebel mit der Heimatstube.